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Quo vadis Altanschließerbeiträge

Wie weiter nach dem Urteil des Landesverfassungsgerichtes

Das kommunalpolitische Forum Sachsen-Anhalt und die Fraktion DIE LINKE im Landtag von Sachsen-Anhalt luden am 17. Februar 2017 gemeinsam zum Fachgespräch ein. In Fachgespräch ging es um eine Einordnung der Entscheidung des Landesverfassungsgerichtes zum Normenkontrollantrag der Fraktion DIE LINKE (LVG 1/16) vom 24. Januar 2017, zur zeitlichen Obergrenze für die Erhebung von Altanschließerbeiträgen in Sachsen-Anhalt.

Ziel des Normenkontrollantrages war es die Regelungen in § 18 Abs. 2 des Kommunalabgabengesetzes des Landes Sachsen-Anhalt (KAG-LSA) wegen Verstoßes gegen Art. 2, 5 und 7 der Landesverfassung (LV LSA) für nichtig, hilfsweise für mit der Verfassung für unvereinbar erklären zu lassen, weil sie die Ausschlussfrist auf bis zu 25 Jahre erweitere und damit dem Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit (Vertrauensschutz) widerspreche und gegen das Rückwirkungsverbot verstoße. Dies geschah auch unter Verweis auf die ergangenen Entscheidungen des Bundes-verfassungsgerichts zum brandenburgischen Kommunalabgabenrecht (Beschlüsse vom 12. November 2015 – 1 BvR 2961/14 sowie 1 BvR 3051/14) und einer Grundsatzentscheidung zu einem Fall aus Bayern zur Festsetzung der Beitragserhebung (1BvR 2457/08vom 5. März 2013).

Das Landesverfassungsgericht hat mit am 24. Januar 2017 verkündetem Urteil die im Dezember 2014 in Kraft getretene Regelung des § 18 Abs. 2 des Kommunalabgabengesetzes des Landes Sachsen-Anhalt (KAG) zur zeitlichen Obergrenze für die Erhebung von Anschlussbeiträgen für verfassungsgemäß erklärt und damit den Normenkontrollantrag zurückgewiesen. Entschieden wurde, dass die Fristenregelung weder das Rechtsstaatsprinzip verletzt, noch gegen den Gleichheitssatz verstößt. Ein Vertrauen von Anschlussnehmern, auf Kosten der Allgemeinheit nur deshalb von der Beitragspflicht freigestellt zu werden, weil sie in den letzten Jahren noch nicht zu Anschlussbeiträgen herangezogen worden sind, ist durch die Verfassung nicht geschützt.

Für die Veranstaltung konnte als Referent Wolf-Rüdiger Beck vom Initiativen-Netzwerk Kommunalabgaben Sachsen-Anhalt gewonnen werden. Er erläuterte das Urteil, welches das höchste sächsisch-anhaltinische Gericht mit der denkbar knappsten Mehrheit von 4 zu 3 Stimmen der Richter fällte. Insoweit erläuterte Herr Beck auch die Intentionen Minderheitenvotum, dass die gesetzliche Regelung für verfassungswidrig hält, soweit sie die Erhebung von Anschlussbeiträgen für bis 1992 hergestellte Grundstücksanschlüsse erlaubt.
In seinem Vortrag ging er insbesondere auf die Frage ein, welche Möglichkeiten die Betroffenen nun noch haben, wenn ihnen die Widerspruchsbescheide ins Haus flattern, bzw. die Gerichte nun ihre anhängigen Klagen zurückweisen. Erläutert und diskutiert wurde, für wen es sinnvoll erscheint, weiterhin den Rechtsweg zu verfolgen. Erläutert wurden die Perspektiven zu dem noch laufenden Verfahren, das von den Bürgerinitiativen unter Einschluss von „Haus & Grund“ bis zum Bundesverfassungsgericht geführt werden sollen. Dieses Verfahren ist derzeit noch beim Bundesverwaltungsgericht Leipzig mit einer Nichtzulassungsbeschwerde anhängig. Die von den Beratungsteilnehmern aufgeworfenen Fragen wurden sachkundig beantwortet und diskutiert.

Im zweiten Teil der Veranstaltung stellte Gerald Grünert Überlegungen vor, welche gesetzlichen Veränderungen im Bereich der Kommunalabgaben in der kommenden Zeit notwendig wären, um Rechtsunsicherheiten, wie sie derzeit bestehen, auszuräumen.

Das Kommunalabgabengesetz sowie damit zusammenhängende Rechtsbereiche müssen weiter entwickelt werden, so Gerald Grünerts Resümé. Insbesondere ist dafür Sorge zu tragen, dass in der kommunalen Praxis dem verfassungsrechtlichen Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit umfassend Rechnung getragen werden kann. Hier sind eindeutige Regelungen zur Feststellung und zum Beginn der sachlichen Beitragspflicht aufzunehmen. Dem im Kommunalverfassungsgesetz verankerten Grundsatz, dass die Kommunen bei der Beschaffung notwendiger Finanzmittel auf die wirtschaftlichen Kräfte ihrer Abgabepflichtigen Rücksicht zu nehmen haben, ist stärker Geltung zu verschaffen. Das Recht auf kommunale Selbstverwaltung gilt es zu wahren und die Verantwortung der kommunalen Vertretungen zu stärken. Dafür gilt es das Problembewusstsein der kommunalen Mandatsträger*innen zu wecken und die sachorientierte Umsetzung des imperativen Mandates in Abwasserzweckverbänden zu befördern. Im Gesetz über kommunale Gemeinschaftsarbeit ist zu verankern, dass die Schulung der kommunalen Vertreter*innen in den Zweckverbandsversammlungen durch den Zweckverband sicherzustellen ist. Mit Blick auf die Aufgabenträger gilt es, so Gerald Grünert, flächendeckend eine wirtschaftliche und kostendeckende Tätigkeit zu ermöglichen sowie die Erhaltung und Schaffung nachhaltiger Strukturen der Wasserversorgung und der Abwasserbeseitigung zu fördern. Die für die Genehmigung der Zusammenlegung von Zweckverbänden zu Grunde gelegten wirtschaftlichen Analysen sind zukünftig öffentlich darzustellen und die Vorlage- und Anzeigepflichten entsprechend § 135 KVG LSA verbindlicher anzuwenden. Widerspruchsverfahren sollen für Bürger*innen zukünftig gebührenfrei sein und die Möglichkeit einer zinslosen Stundung der Forderungen eröffnet werden. Auch müssen Anreize eingeführt werden, die verstärkt einem umweltschonenden Verhalten dienen.

Auch wenn für die Einreicher*innen der Normenkontrollklage ein weiterer Rechtsweg ausgeschlossen ist, ist mit dem Urteil noch lange nicht das letzte Wort gesprochen. Der bereits eingeleitete Weg zum Bundesverfassungsgericht kann im Ergebnis auch das Urteil des Landesverfassungsgerichts wieder aufheben und zu einem günstigeren Ergebnis für die Bürger*innen führen.

Bilder
Materialien der Veranstaltung

Aussagen und Auswirkungen des Urteils des Landesverfassungsgerichtes vom 24.01.2017
Foliensatz zum Vortrag von Rechtsanwalt Wolf-Rüdiger Beck
Initiativen-Netzwerk Kommunalabgaben Sachsen-Anhalt

Problemaufriss zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes und anderer Gesetze nach dem Urteil des Landesverfassungsgerichtes vom 24.01.2017
Foliensatz zum Vortrag von Gerald Grünert, MdL a.D., Sprecher der Landesarbeitsgemeinschaft Kommunalpolitik

Weiterführende Links

Urteil des Landesverfassungsgerichtes vom 24. Januar 2017
zum Normenkontrollantrag der Fraktion DIE LINKE welches die im Dezember 2014 in Kraft getretene Regelung des § 18 Abs. 2 des Kommunalabgabengesetzes des Landes Sachsen-Anhalt (KAG) zur zeitlichen Obergrenze für die Erhebung von Anschlussbeiträgen für verfassungsgemäß erklärt.